Dauerhaftes, breitenwirksames und nachhaltiges Wachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern
#8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum
Gute Arbeit für alle.
Alle Menschen sollen
eine gute Arbeit haben.
Die Menschen sollen genug Geld
für die Arbeit bekommen.
Dann geht es den Menschen gut.
Und dann geht es auch den Ländern gut.
Es soll immer besser werden
für die Menschen und Länder.
Достойная работа и экономический рост
Хорошая работа для всех. Все люди должны иметь достойную работу. Люди должны получать достаточно денег за их работу. Тогда у людей будет все хорошо. И тогда и в странах будет все хорошо. Все должно улучшаться как для людей так и для стран.
Ein Unterziel des achten Entwicklungsziels ist, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Sklaverei, Menschenhandel und Kinderarbeit sind dabei nur die schlimmsten Auswüchse. 2017 gab es Schätzungen zufolge 40 Millionen Menschen, die unter Sklaverei ähnlichen Bedingungen arbeiteten und lebten. Unzählige mehr arbeiten unter menschenunwürdigen Arbeitsbedingungen in Fabriken, Minen und Plantagen. Profiteure sind nicht selten internationale Unternehmen – und nicht zuletzt die Menschen in den Ländern des globalen Nordens.
In Deutschland sind besonders Migrant*innen ohne Arbeitserlaubnis und Arbeitsmigrant*innen aus dem EU-Ausland von Ausbeutung und schlechten Arbeitsbedingungen betroffen. In der Baubranche, in der Landwirtschaft und im Pflegebereich werden Wanderarbeiter*innen aus Ost- und Südeuropa unter Mindestlohn bezahlt oder komplett um ihren Lohn betrogen. Betroffene haben selten die Ressourcen, sich in langen und teuren Gerichtsverfahren dagegen zu wehren.
Das SDG 8 beinhaltet auch das in den Menschenrechten verankerte Recht auf Arbeit. Besonders Migrantinnen* und geflüchtete Frauen* sind mit verschiedenen Hürden und langen Wartezeiten nach der Migration konfrontiert, durch die ihnen das Recht auf Arbeit verwehrt wird. Viele werden dadurch in die Schwarzarbeit gedrängt. Darüber hinaus werden Abschlüsse und Qualifikationen von Migrant*innen nicht anerkannt. Dadurch werden sie gezwungen, Arbeit zu verrichten, die deutlich unter ihrer Qualifikation liegt. Eine weitere Folge ist, dass Migrant*innen in Institutionen, Behörden, Organisationen und Unternehmen stark unterrepräsentiert sind, besonders in Führungspositionen.
Unsere Forderungen:
- Anerkennung von beruflichen Qualifikationen und Bildungsabschlüssen
- Feststellungsverfahren, die auf Fertigkeiten, Fähigkeiten und Erfahrungen der Frauen* basieren
- Interkulturelle Öffnung aller Institutionen, Behörden, Organisationen
- Diskriminierungsarme, Gender- und Diversity-sensible Bewerbungsverfahren
- uneingeschränktes Recht auf Arbeit
Verdammtsei der Tag, an dem ich hierher kam
Mofida Ankir erzählt die Geschichte von Um Mohamed, die mit 65 nach Deutschland geflohen ist.
Ihr Name ist eigentlich Maryam Aldghim. Sie weiß aber nicht, wann sie zum letzten Mal mit diesem Namen angesprochen wurde, sagt Um Mohamad, “die Mutter von Mohamad“.
„Wahrscheinlich, seitdem ich meinen ersten Sohn Mohamad geboren habe“. In ihrer ländlichen Gesellschaft ist es unangebracht, Frauen mit ihrem Geburtsnamen anzusprechen. Sogar die Ehemänner ziehen es vor, die eigene Ehefrau mit dem Namen ihres Erstgeborenen anzusprechen.
Das einzige was sie hier noch mitrechnet ist ihr Alter. 1952 wurde sie geboren, aber ihr sehnlichster Wunsch ist es, nur zwei Jahre früher geboren zu sein.
Jede Frau wünscht sich, jünger zu sein . Außer ihr, meint Maryam, „Wenn Ich nur zwei Jährchen älter wäre! Ich sag euch auch warum!”
“Um Mohamad” oder ,, Maryam” … der Name den sie jetzt endlich wieder zurück hat – ist eine 65 jährige Geflohene, die noch 2 Jahre von ihrer Rente trennen. Was allerdings bedeutet, dass sie verpflichtet ist, den Bildungs- und Arbeitsgesetzen als Flüchtling zu folgen.
„In diesem Alter wäre ich in Syrien die geliebte Großmutter, denn die Enkelkinder wollen großzügig verwöhnt werden. Die Süßigkeiten und Münzen in den Taschen der Großmutter sind doch das Ziel jedes Enkelkinds“
Hier dagegen ist alles anders. Hier bin ich eine Großmutter, die zum Job Center gehen muss und in den Briefkasten schaut, die täglich auf den Strom- und Wasserzähler wartet und sogar auf den Moscheeprediger, der sich plötzlich zum Nachrichtenträger verwandelt. Sie ist auch die Ansprechpartnerin in Sachen Rechnungen oder diverse Versammlungen.
Sie verstehe die Menschen hier nicht, sagt sie und es sieht auch nicht so aus, als ob sich das in Zukunft ändern wird. “ Ich bin alleine und auf mich gestellt, da das Gesetz hier keine Rücksicht auf mein Alter nimmt und nicht erlaubt , dass meine Söhne an meiner Stelle auftreten. Mein Übersetzer ist außerdem Marokkaner. Dessen Dialekt kannte ich gar nicht und allein dafür bräuchte ich fast schon einen eigenen Dolmetscher. Ich weiß nicht warum, aber ich höre hier immer das Wort „Scheiße“, wenn jemand seine Wut ausdrücken möchte. Und momentan bin ich wütend!“
“Um Mohamad“ muss alle ihre Erledigungen alleine leisten. Sie geht einkaufen, fährt mit Bussen und kauft sich die Tickets dazu selbst . Sie trägt ihre ländliche Volkstracht, egal wie sie die deutschen Leute deswegen ansehen. Die Hauptsache für sie ist, dass sie sich wohl fühlt.
„Das Gesetz erlaubt Kindern über 18 Jahren, selbstständig zu werden und das haben auch meine getan. Meine Schwiegertochter ist deswegen nicht dazu gezwungen, mich bei ihr wohnen zu lassen. Was ich auch einsehe, weil ich deutsch geworden bin und das Gehabe der arabischen Schwiegermütter mich nichts mehr angeht“
„Das Wort minderjährig habe ich zuvor noch nie gehört.“ Alle Kinder in diesem Alter habe ich ”Ajje” genannt. “Ajje” ist für mich jemand , der immer seine Eltern oder seine Großmutter um sich herum braucht.“
„Hier bin ich die Oma, die mit ihren Enkelkindern aufsteht, um ihnen Frühstücksbrote zu machen, weil es im Tumult des Alltags keine Zeit zum Frühstücken gibt. Die weiten Strecken lassen einen immer wieder zu spät ankommen, egal wie früh man aufgestanden ist. Sie haben ihre Brote und ich habe meine, sie haben ihre Taschen und ich habe meine. Sie haben ihre Hausaufgaben fertig, aber ich noch nicht,“ sagt sie.
Jeden Tag sammelt sie ihre Erinnerungen und lacht, weil sie die Rollen vertauscht haben. Anstatt dass sie die Kinder zum Lernen animiert, werde sie von Ihnen dazu gedrängt ihre Hausaufgaben fertig zu machen. Dabei sagen ihr diese Buchstaben nichts. „Meine Kinder versuchen, mir Eselsbrücken zu geben, damit ich mir manche Wörter besser merken kann.
Zum Beispiel sagt mir mein Enkelsohn, ich solle bei der Zahl eins an den Namen Ghais denken und den ersten Buchstaben mit einem A tauschen. Wahrscheinlich hat er dabei aber vergessen, dass ich noch nicht mal die arabischen Buchstaben kenne. Meine Tochter sagt mir, dass es für jedes Wort im Deutschen auch eines in arabischer Sprache gibt. Aber das stimmt nicht. Das weiß ich, denn die arabische Sprache ist einzigartig.“
Um Mohamad weiß nicht, was ihre alten Nachbarinnen aus ihrem Dorf über sie denken würden, wenn sie sie mit Schultasche auf dem Rücken sehen würden. Würden sie lachen oder weinen? Sie würden lachen und ein arabisches Sprichwort benutzen: „dad alhamra jebeh hamra“- was so viel heißt wie Altwerden und sich dabei jugendlich benehmen. Sie würden aber auch ihr eigenes Leben ohne Bildung bedauern, sagt sie. „Wenn ich Arabisch gelernt hätte, wäre bestimmt alles einfacher, dann wäre ich wahrscheinlich auch gar nicht hier gelandet, sondern ich hätte von Kind an schon den Frauen beigebracht, dass Revolution notwendig ist.“
An diesem Punkt wird Um Mohamad klar, dass viele Revolutionen nötig wären. Auf sozialer, wissenschaftlicher und moralischer Ebene. Revolution in allen Bereichen. Hätte sie tatsächlich von klein auf daran gearbeitet und alle hätten mitgezogen, dann wäre sie heute mit Sicherheit nicht hier.
In der Schule besucht sie hier das Level 1, bei dem man die Buchstaben lernt. Die Deutschen Buchstaben natürlich. Aber wie soll so ein Gehirn, das schon so viele Enttäuschungen, Katastrophen und Unfälle erlebt hat, verstehen, dass der Buchstabe A nicht Aaaaaaah ausgesprochen wird? Jeder weitere Buchstabe ist für Um Mohamad nichts anderes als eine Ohrfeige die sie in ihrem Heimatdorf Kafarooma gehört hat wie jedes weitere Wort, das sie nicht verstanden hat, wenn ihre Kinder und Enkelkinder ihr etwas vorgelesen haben.
Wie soll sie sich nicht an all die Grundschulreime, ihre Puppe Maha, Rascha mit ihrer Ente und ihren Freunden Basem und Rabab erinnern? Hier gibt es kein Basem und keine Rabab, kein Jesus oder Mosee. Hier sind Katja, Katrin und Martina. Sie sind zwar nett, aber das vergeht, so wie alle Erinnerungen im Kurs, weil sich das Gelächter ihrer Mitschüler über ihre Ausdrucksweise immer wieder wie eine Ohrfeige anfühlt. „Verdammt sei der Tag, an dem ich hierher kam“.