#13: Maßnahmen zum Klimaschutz – Pia Osman

Wie engagierst du dich politisch?

Ich habe in den letzten zwei Jahren viel in der Klimagerechtigkeitsbewegung gemacht. Zunächst bei Extinction Rebellion und dann bei der Letzten Generation. Am Anfang noch neben einer Vollzeitarbeitsstelle und dann ist der Aktivismus quasi meine Vollzeitarbeit geworden. In der letzten Zeit habe ich mich dahingehend aber sehr zurückgezogen. Mich hat das erwischt, was sehr viele Leute erwischt, die zur Klimakatastrophe arbeiten: Ich habe mich übernommen. Das Problem der Klimakatastrophe ist faktisch super dringend. Deshalb habe ich immer weiter gemacht, ohne mir eine Pause zu nehmen und bin so am Ende ganz ausgefallen.

Also bist du gar nicht mehr so aktiv bei der Letzten Generation?

Also jain. Ich mache zumindest keine Aktionen mehr mit. Ich bin aber trotzdem noch bei Socializing-Sachen mit dabei. Wenn du da mehrere Monate bis Jahre aktiv bist, ist das verbindend. Viele aus der Zeit sind Freund:innen von mir. Sie sehe ich sowieso und selbst die, mit denen ich jetzt keinen intensiven Kontakt halte, sehe ich kurz vor den gemeinsamen Gerichtsprozessen. Das nimmt aktuell sehr viel Raum ein. Wirwaren eben mit Namen und Gesicht auf der Straße und das finde ich richtig und wichtig. Gleichzeitig ist es natürlich auch hart. Dennoch versuche ich, den Gerichtssaal als Bühne, als Aktionsort zu betrachten und begründe ausführlich, warum ich an den Blockadeaktionen der Letzten Generation teilgenommen habe. So müssen sich alle Menschen im Raum, Zeug*innen, Polizist*innen, Richter*innen, Staatsanwält*innen und das Publikum mit der Klimakatastrophe auseinandersetzen.

Löst das dann auch ein Hinterfragen aus, wenn man immer wieder damit konfrontiert wird, dass das eigene Handeln als Unrecht bezeichnet wird?

Auf jeden Fall. Ich denke, alle, die sich da auf die Straße setzen, haben sich dazu ausführlich Gedanken gemacht. Teil des verpflichtenden Aktionstrainings sind Reflexionsrunden. Ich habe die auch geleitet. Es ist schon eine krasse Sache, die wir da gemacht haben. Reflexion wird deshalb immer wieder, vor der Aktion, in der Aktion im Gespräch mit Autofahrer*innen und danach im persönlichen Umfeld Thema sein.

Was hat dich dann dazu gebracht, dich für diese Aktionsform und für diese Gruppe zu entscheiden?

Zum einen hat mir bei vielen anderen Gruppen eine kongruente Strategie gefehlt. Die habe ich bei der Letzten Generation gesehen. Zum anderen denke ich, dass nur demonstrieren leider nicht ausreicht, denn ich gehe davon aus, dass ein Großteil der Menschen rein faktisch verstanden hat, dass es die Klimakatastrophe gibt. Was sie aber konkret für Folgen hat, das lassen viele nicht an sich ran und gehen ins Verdrängen. Die Letzte Generation hat sich für mich mit ihren Aktionen deshalb wie der nächste logische Schritt angefühlt. Ich hätte es gut gefunden, wenn die Streiks freitags gereicht hätten, aber das haben sie nicht. Jetzt mal ganz plakativ gesag:, wo stört man den Deutschen am besten – vor seinem Auto. Die Aktionsform ist somit eine kontinuierliche Unterbrechung des Alltags und die braucht es scheinbar.

Und konntest du Erfolge feiern oder hast du dich selbstwirksam gefühlt, während du aktiv warst?

Ein Erfolg ist auf jeden Fall, wie unsere Proteste das Thema Klimakatastrophe immer und immer wieder auf die Tagesordnung geholt haben. Trotz Corona, trotz des Angriffskriegs von Russland. Da kann man erwarten und auch verstehen, weil es schlimme und wichtige Themen sind, dass alles andere weggeschoben wird. Durch unser beständiges Stören haben wir es aber geschafft, dass die Klimakatastrophe weiterhin Thema war.

Wie hast du in deiner aktiven Zeit die Interaktion mit der Zivilgesellschaft wahrgenommen? Gerade auch diese sehr negativen Emotionen.

Ganz unterschiedlich. Ein wichtiges Thema ist hier die Berichterstattung. Es ist natürlich ein großer Aufschrei, wenn jemand ins Gesicht geschlagen wird. Da gibt es dann große Artikel drüber. Aber die fünf Menschen vorher, die Verständnis für unsere Aktion hatten, werden nicht gezeigt. Die Gewalt wird jedoch mehr, wenn die Medien dagegen wettern und ernsthaft diskutieren, ob diese Gewalt gerechtfertigt ist. Wenn Bild-Framings übernommen werden. Alle reden von „Klimaklebern“ und damit hat die Bild angefangen. Gleichzeitig sieht man in der Realität auf der Straße aber immer wieder Leute, die unsere Aktionen gut und unterstützenswert finden. Ich habe so viele Passant*innen erlebt, die unterstützende Worte oder einen Daumen hoch gezeigt haben. Im Sommer haben wir Wasser bekommen, manchmal Essen und eine Person hat uns sogar Blumen gebracht.

Also sagst du, es ist eher ein verqueres Bild entstanden durch die einseitige Berichterstattung über die Gewalt gegen euch?

Finde ich schwer einzuschätzen, aber ich glaube eher, dass die Interaktionen vielleicht zur einen Hälfte positiv und zur anderen Hälfte negativ waren. Ich habe nur das Gefühl, dass die Medien viel mehr Wut gezeigt haben, als es mein Eindruck von der Realität in Aktion war.

Ich hatte teilweise das Gefühl, dass durch diese Berichterstattung gerade am Anfang der Fokus der Menschen nur auf die Aktionsform gerichtet wurde. Ich bin stolz und dankbar, dass wir trotz dieses ganzen Gegenwinds drangeblieben sind. So musste irgendwann gezwungenermaßen über die Inhalte gesprochen werden, weil das Thema Aktionsform ausgesaugt war. Dadurch hat sich der Wind auch etwas gedreht, weil die Menschen besser verstanden haben, warum wir das machen. Mein Protest richtet sich nicht gegen die Autofahrenden, sondern gegen die unzureichende Klimapolitik. Ich bin damit aber nicht direkt zu den Regierenden mit meinen Aktionen gegangen, denn das haben schon sehr viele Leute gemacht. Es hat nicht funktioniert, unter anderem auch, weil es nicht ausreichend Berichterstattung gab.

Ich habe dir hier einmal das Nachhaltigkeitsziel 13 mitgebracht. Lies es dir gerne durch und sage aus deiner Sicht, wie sich die UN und der deutsche Staat bei der Erreichung dieses Ziels machen.

So, wie ich das sehe, wurde bisher eigentlich nichts davon eingehalten. Teilweise gab es sogar gegenteilige Entwicklungen. Das finde ich total schade. Genauso wie das Pariser Klimaabkommen fühlt es sich dadurch an, wie ein Lippenbekenntnis und danach ist nichts passiert. Da ist eigentlich die einzig logische Folge für mich, meine Stimme aktiv hörbar zu machen, gerade weil ich das Privileg habe, in einem einigermaßen funktionierenden Rechtsstaat zu leben. Ich finde, es ist wichtig in einer Demokratie auch anzuprangern, wenn etwas nicht in Ordnung ist.

Meine letzte Vollzeitarbeitsstelle hieß Demokratieförderung und Jugendbeteiligung. Ich habe mit jugendlichen ein Demokratieverständnis erarbeitet und geschaut, wie sie mitgestalten können. Dann ist es doch logisch, dass ich es auch mache.Besser: dass ich mich selbst auch engagiere oä. Wenn sowas wie die SDGs geschrieben und ratifiziert werden, aber sich an nichts gehalten wird, dürfen wir nicht hoffen, dass es einfach so besser wird. Wenn es in den Gesetzestexten keinen Kontrollmechanismus gibt, dann müssen wir das sein.

Was würdest du von der Regierung oder von den Staaten oder der UN erwarten – kannst du richten an wen du willst – wenn sie es mit einem solchen Ziel ernst meinen?

Ich muss daran denken, wie wir eine Zeit lang immer Banner mit Artikel 20 Grundgesetz auf die Straße gegangen sind. Ich wünsche mir echt nichts Großes. Ich wünsche mir nur, dass sich Regierungen an ihre eigenen Gesetze halten. In dem Fall das Grundgesetz. In anderen Fällen die SDGs, auf die man sich geeinigt hat. Für die Unterziele von Nachhaltigkeitsziel 13 Klimafolgenanpassung, Emissionen mindern und allgemeine Maßnahmen gibt es schon krass viele vorgeschlagene / gelistete oä? Maßnahmen, wir müssen sie einfach endlich umsetzen.

Ich kann die Politiker*innen aber sogar auf gewisse Art verstehen. Wir leben in einer repräsentativen Demokratie. Das heißt, die Regierenden denken nur in sehr kurzen Zeiträumen, weil sie Angst haben, nicht wiedergewählt zu werden. Wenn sie sich deshalb aber nicht trauen, unbequeme, aber notwendige Maßnahmen durchzusetzen, dann ist das für die aktuelle Situation vielleicht nicht die richtige Form der Demokratie. Es ist nur verständlich, dass sich die Menschen, die gerade an der Macht sind, dort halten wollen. Die Klimakatastrophe ist jedoch jetzt schon schlimm und es wird nur noch schlimmer und teurer, wenn wir nicht schnell ins Handeln kommen.

Was wäre dann eine konkrete Idee, die du oder die Letzte Generation mitbringt, die man beim Thema Demokratie anwenden sollte, um etwas zu verändern?

Die letzte Generation setzt sich für den Gesellschaftsrat ein. Das ist so ähnlich, wie ein Bürger*innenrat. Wir haben uns nur für ein anderes Wort entschieden, weil der Unterschied ist, dass die Maßnahmen, die im Gesellschaftsrat entwickelt werden, eine bindende Wirkung haben sollen. Vor der letzten Bundestagswahl gab es nämlich einen Bürger*innenrat Klima. Von dem hat aber niemand mitbekommen und dessen Maßnahmen sind wieder in der Schublade verschwunden. Mit einem Gesellschaftsrat könnten viele verschiedene Probleme umgangen werden könnten. Es ist deutlich repräsentativer. Es wäre dann nicht so akademisch, nicht so weiß, wahrscheinlich auch nicht so cis-hetero wie unser Bundestag. Der soll uns repräsentieren und das tut er nicht. Ein Gesellschaftsrat ermöglicht das.

Was würdest du Leuten, die das lesen, mit auf den Weg geben, um diesen sehr abstrakten Zielen näher zu kommen?

Macht eure Stimme hörbar, denn das geht auf so vielen unterschiedlichen Ebenen. Es ist total verständlich, wenn es aus unterschiedlichsten Gründen nicht geht, sich so krassen Repressionen auszusetzen. Es ist einfach auch viel damit getan, im persönlichen Umfeld über die Missstände zu reden. Das Thema Klimakatastrophe ist unangenehm, viele verdrängen es, aber es muss angegangen werden. Und dann kann man schauen, wie weit man es treiben möchte, wie störend man seine Stimme hörbar machen will.

Möchtest du noch etwas mit uns teilen?

Es kann durchaus passieren, dass man im Alltagstrott versinkt und es schwer fällt, sich mit dem Thema Klimakatastrophe zu verbinden. Es passieren dann immer wieder Dinge, die einen daran erinnern. Gerade das Thema Flut ist da für mich sehr treffend. Früher, zu Schulzeiten, ist der Fluss bei mir in der Nähe, die Mulde, öfters über die Ufer getreten. Für mich als Schülerin war das gar nicht so schlimm. Ich hatte zwei Wochen schulfrei und war viel an der frischen Luft mit den Sandsäcken. Letzten Sommer hatte ich dann schon länger Pause gemacht von meinem Aktivismus bei der Letzten Generation und wollte einen Freund in Norwegen besuchen. Dann war aber Flut. Mein Zug ist nicht gefahren und ich habe Gleise unter Wasser gesehen. Dann haben wir es per Anhalter versucht, aber da ging es auch irgendwann nicht mehr weiter. Die Autos, in denen wir saßen, sind auch schon über nasse Straßen gefahren. Und dann habe ich halt in einem fremden Land, dessen Sprache ich nicht spreche, allein festgesteckt und kam nicht zurück. Links war der See, der immer weiter gestiegen ist, rechts waren Berge und nach oben und unten war die Straße voller Wasser. Es war aber auch irgendwie bestärkend, wie sehr sich Menschen in einer solchen Situation untereinander helfen. Das nächste Auto, das kam, war eine junge Mutter und sie hat mich für drei Tage auf ihren Bauernhof mitgenommen. Ihr Kumpel, hat mich dann am Ende nach Oslo gefahren, damit ich nach Hause konnte. Das war echt schön und bestärkend und die Leute hatten das Problem Klimakatastrophe verstanden. Ich saß dann abends bei ihnen und es ging ganz viel um die Klimakatastrophe. Es kann nicht sein, dass wir es immer wieder so krass am eigenen Leib erfahren müssen, dass wir es verstehen. Solche Anekdoten kann doch fast jede:r erzählen. Das hat mir dann auch nochmal einen richtigen Kraftschub gegeben. Ich hatte viele Gefühle in diesen Tagen. Zunächst Angst und Einsamkeit alleine in den Bergen. Danach viel Dankbarkeit für die Solidarität und später Wut. Wut ist wichtig, denn wer Wut hat, hat noch nicht aufgegeben. Wer wütend ist, hat noch nicht resigniert. Ich bin dann noch mal in eine Aktionsphase gegangen, sogar in Bayern mit viel krasseren Repressionen. Es hat den Glauben an die Menschen nochmal verstärkt, dass wir es doch noch rumreißen können. Wir müssen da gemeinsam ran und uns nicht weiter entfremden. Das ist vielleicht der zweite Aufruf neben dem der Stimme hörbar zu machen. Lasst uns gemeinsam unsere Stimmen hörbar machen.